Selbstliebe – alle reden darüber, dabei ist es mit der Selbstliebe manchmal gar nicht so einfach. Der gesteigerte Social Media Konsum führt automatisch zu Vergleichen – und kann Selbstzweifel wecken. Und dies, obwohl wir eigentlich wissen, dass die Darstellung meist nicht der Realität entspricht, sondern eine beschönigte Momentaufnahme ist. Im Gespräch mit Nachhaltigkeits-Bloggerin Anina Mutter gehen wir der Frage nach, wieso Selbstvertrauen und Selbstliebe so wichtig sind und wie man an der Selbstliebe arbeiten kann.
ICH DENKE, MAN BRAUCHT SCHON EINE GEWISSE BEREITSCHAFT ODER AUCH LUST, SICH ZU EXPONIEREN. WARUM SOLLTE MAN SICH DAS SONST ANTUN, WENN ES EINEM STRESST ODER MAN SICH ÜBERFORDERT FÜHLT? DAS HEISST, ES BRAUCHT SICHER SELBSTVERTRAUEN UND AUCH MUT, WENN MAN SICH SELBST TREU BLEIBEN MÖCHTE.
Als Bloggerin, Schauspielerin und Tänzerin bist du oft einem bewertenden Umfeld ausgesetzt. Wie ist das für dich?
Grundsätzlich kommt es sehr aufs Umfeld an. Aber ich glaube, sobald man sich exponiert oder in einem Bereich bewegt, wo man gesehen wird, entsteht durchaus die Frage, wer bin ich, wie wirke ich auf andere, muss ich gewisse Erwartungen oder Vorgaben erfüllen, damit ich überhaupt erfolgreich sein kann. Dieses Spannungsfeld gibt es auf jeden Fall und ich würde es auch als Spannungsfeld bezeichnen, weil unsere Gesellschaft grundsätzlich so aufgebaut ist, dass man das Gefühl hat, man muss gewissen Rastern entsprechen, damit man dazugehört. Für mich ist es sehr unterschiedlich, in jüngeren Jahren war es sicher schwieriger, weil man da noch nicht so gefestigt ist und weiss für was man steht und was einem wichtig ist. Aber je länger ich mich auch in diesem Umfeld bewege, desto leichter empfinde ich es.
Um sich zu exponieren, braucht man also ein gutes Selbstbewusstsein?
Ich denke, man braucht schon eine gewisse Bereitschaft oder auch Lust, sich zu exponieren. Warum sollte man sich das sonst antun, wenn es einem stresst oder man sich überfordert fühlt? Das heisst, es braucht sicher Selbstvertrauen und auch Mut, wenn man sich selbst treu bleiben möchte. Zudem glaube ich, es gibt verschiedene Arten von exponiert sein. Wenn ich zum Beispiel versuchen würde, es immer allen recht zu machen, würde mich das sehr unglücklich machen, da ich dann überhaupt nicht mehr bei mir wäre. Manchmal muss man einfach hinstehen und sagen, wie man sich fühlt und Grenzen setzen. Denn gerade uns Frauen wird oft suggeriert, dass wir nicht Nein sagen oder eine eigene Meinung haben dürfen oder dass man «bitchy» ist, wenn man für sich einsteht. Und das finde ich, braucht Mut, Stärke und Selbstvertrauen.
Was bedeutet Selbstliebe für dich?
Ich habe im Vorfeld sehr viel über diesen Begriff nachgedacht und bin der Meinung, dass man nicht einfach so sagen kann, «es bedeutet, ich liebe mich selbst.» Selbstliebe ist so schnell dahingesagt, aber, wenn man es tiefer betrachtet, ist es komplex und baut sich auf. Einerseits kann man sagen, Selbstliebe ist, wenn ich weiss, wo die eigenen Grenzen sind, und sie auch einhalte. Gleichzeitig heisst Selbstliebe, dass ich mich so akzeptieren kann, wie ich bin. Aber dann finde ich, müsste man sich zuerst fragen, was sind meine Konditionierungen, was hat mich geprägt, wo komme ich her oder was sind die Konditionen, die ich selbst an mich stelle, damit ich mich lieben kann? Ich finde das Thema unglaublich komplex, es ist ein konstanter Prozess. Selbstliebe bedeutet für mich, immer wieder aufs Neue herauszufinden, und langsam, aber stetig herauszumeisseln, wer ich bin, damit ich mir so nah wie möglich sein kann.
Kann man an dieser Selbstliebe arbeiten?
Auf jeden Fall. Man kann den Zugang zu sich selbst zum Beispiel über Bewegung finden, Bücher zum Thema lesen oder auf psychologischer, analytischer Ebene daran arbeiten, vielleicht auch in einer Therapie, was ich sehr wertvoll finde. Essenziell ist jedoch, dass man sich den Raum gibt, in sich hineinzuhören und zu spüren, was abgeht. Das Problem heute ist doch, dass wir so krass abgelenkt sind. Jede einzelne Minute des Tages ist gefüllt, ständig hängt man am Handy. Wenn man keine «Pockets of Stillness»* hat, wie ich es nenne, kann so ein Prozess gar nicht starten. Deshalb ist es so wichtig, Raum dafür zu schaffen.
*Pockets of Stillness sind Ruheinseln im Alltag, ruhige Momente, um den Lärm des Lebens kurz auszublenden. Wenn wir in den Ferien sind, kommen diese Momente oft ganz natürlich. Im Alltag müssen wir diese Inseln für uns kreieren, in dem wir uns bewusst Zeit für uns nehmen.
In welchen Situationen schwindet die Selbstliebe?
Die Selbstliebe kann schwinden, wenn man das Gefühl hat, nicht gesehen zu werden, wenn eigene Grenzen überschritten werden oder wenn man sich vergleicht. Situationen, in denen man den Selbstwert von aussen abhängig macht, anstatt von innen sind immer sehr gefährlich.
Wenn man eine hohe Selbstakzeptanz hat, läuft alles einfacher. Hast du das Gefühl auch schon erlebt, dass alles super läuft, wenn du mit dir selbst zufrieden bist?
Das Leben verläuft sowieso nie geradlinig. Ich möchte Selbstliebe gerne mit sich-selbst-nah-sein übersetzen. Tatsächlich ist es so, dass wenn ich ganz bei mir bin, mich selbst spüre, vieles einfacher läuft.
Selbstliebe gleich Egoismus, was denkst du dazu?
Ich glaube, es ist wichtig, dass man zuerst auf sich selbst schaut und eigentlich verfügen wir alle über sensible Antennen, um zu spüren, wo ist es egoistisch, wo stelle ich mich über alles oder wo ist es eine notwendige Zuwendung an mich selbst, damit ich als vollwertige Person in der Gesellschaft agieren kann.
Meinst du, man kann sich besser um andere kümmern, wenn man zuerst sich selbst liebt?
Das ist eine gefährliche Frage, die man leicht missverstehen könnte (lacht) Ich bin der Meinung, man kann sich auch liebevoll um andere kümmern, wenn man sich selbst noch nicht so lieben oder die Selbstliebe noch nicht so leben kann, wie man das vielleicht möchte. Ich denke aber, dass es langfristig nicht nachhaltig ist, wenn man sich komplett ignoriert und sich für andere verausgabt. Wenn es mir gut geht, strahle ich das auch aus und ich denke schon, dass sich das auch positiv aufs Umfeld auswirkt. «Positive Vibrations» haben immer einen Einfluss aufs Umfeld.
Für Beldona ist es sehr wichtig zu vermitteln, dass jeder Körper schön ist, wie er ist. Wie fühlst du dich in deinem Körper?
Mein Körper und ich haben einen Weg zurückgelegt, der nicht immer einfach war, aber heute bin ich unglaublich dankbar für meinen Körper und was er mir alles schenkt. Ich finde auch, jeder Mensch und jeder Körper ist schön, egal wie. Gleichzeitig finde ich es auch wichtig, sich zu fragen, liebe ich die von aussen kreierte Hülle oder liebe ich mich wirklich? Sag ich nur, dass ich mich liebe oder empfinde ich es auch? Und falls man es nicht empfindet, finde ich es sehr wichtig, um sich den Raum zu geben, sich zu spüren und zu unterstützen. Unsere Wahrnehmung, wie man sein sollte, ist so krass von aussen beeinflusst. Aber wenn man sich ehrlich mit sich selbst auseinandersetzt und in all den «Scheiss» hineinschaut, den man eigentlich nicht anschauen will, kommt die Selbstliebe von allein. Was ich auch gefährlich finde, ist, wenn man die Selbstliebe an Konditionen bindet und sagt, wenn ich dann dies und das mache oder so und so aussehe, dann kann ich mich lieben.
Du lebst sehr viele verschiedene Facetten, lässt dich nicht in einer Rolle festnageln. War das schon früher so?
Meine Eltern haben mich und meine Geschwister immer wahnsinnig unterstützt, zu sein, wie wir sein wollen. Deshalb habe ich mir gar nie Gedanken über Geschlechterrollen gemacht. Für mich war immer klar, ich bin ein Mädchen und mache einfach, wozu ich gerade Lust habe, sei dies Breakdance, Skaten oder Reiten. Auch heute noch mache ich was ich cool finde, was mir Spass macht. Fussballspielen und «umerueche» und dann wieder supersexy Salsa tanzen. Ich lasse mich nicht von aussen beeinflussen, sondern höre auf meine innere Stimme und tue das, was mich glücklich macht. Mein Hauptziel ist es, so spielerisch wie möglich durchs Leben zu gehen – und es zu geniessen.
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