Ich bin 40. So what!

Ich bin gerne eine Frau - mit allem, was dazugehört. Gleichzeitig finde ich es nicht einfach, eine zu sein. Ich glaube, es gibt kaum ein Thema, das so klischeehaft ist wie das Frausein, und das habe ich besonders in den letzten Jahren gemerkt. Ich bin ein Mädchen aus den 80ern, wurde in den 90ern zum Teenager mit Britney-Spears-Songs, dem Bravo-Dr.-Sommer-Team und dem enormen Druck, wie ich als Frau zu sein habe. Nach dieser Ära wurde ich dank einer wundervollen Nacht in Frankreich und einer anschließenden Großproduktion von HCG-Hormonen Mutter und habe damit in den letzten 10 Jahren mehr Klischees in Frage gestellt als in den 20 Jahren davor - denn ein neuer Abgrund namens Momshaming tat sich auf.

Ich bin 40. So what!
Silvia Jauch
23.02.22

Jetzt bin ich schon 40 Jahre alt und habe ein breites, chaotisches, manchmal schmerzhaftes aber auch witziges Spektrum an Erfahrungen gemacht, mit denen ich euch dieses Jahr unterhalten möchte. In den Texten geht es um alles, von mittelalterlichen Bodyshaming-Zeiten über das Muttersein und meine erste graue Strähne bis hin zu meiner neu entdeckten Selbstliebe.


Viel Spaß beim Lesen, ihr wunderbaren Frauen!


Ich bin in meinem vierzigsten Lebensjahr angekommen – wer hätte das gedacht? Eigentlich eine seltsame Frage, aber nicht für mich. Ich habe nämlich lange nicht an die Möglichkeit gedacht, dass auch ich älter werde. Bis vor Kurzem schien die Vier noch in weiter Ferne. Für mich war vierzig das Alter, in dem man graue Haare nicht mehr färbt, Birkenstocks freiwillig ausser Haus trägt, Männer nicht mehr so interessant sind und ruhige Abende Priorität vor nervigen Dates haben.


Ich war vollkommen überzeugt, dass ich diese Klischees eines Tages sicher nicht erfüllen würde. (Das habe ich übrigens auch gesagt in Bezug auf alle Klischees bezüglich der Mutterschaft.) Das Lustige an den mir unangenehmsten Klischees ist jedoch, dass ich genau die entsprechenden Verhaltensweisen immer schön pünktlich übernehme und ganz freiwillig auslebe. Damit wären wir auch schon bei den grauen Haaren angekommen. Seit einiger Zeit färbe ich sie nicht mehr. Meine Birkenstocks? Die lieben unsere Spaziergänge an der frischen Luft. Aber das weitaus spannendste Thema ist die Männerwelt – also vielleicht für euch. Für mich gilt, dass ich auch dieses Klischee herrlich umgesetzt habe: Mein Interesse an meinen männlichen Zeitgenossen hält sich derzeit in Grenzen.



Anfangs hat mich diese neue Art an mir, die neue Ruhe und Gelassenheit, etwas irritiert. Wo blieb meine Rastlosigkeit? Früher, so mit Mitte Zwanzig, hatte ich zwar gelegentlich auch schon Phasen des Herunterfahrens und Mir-selbst-Genügens, aber spätestens nach ein paar heissen SMS, gefolgt von schmachtenden Blicken, war ich wieder die rastlose, ungebremste Silvia, die gedanklich selten im Moment lebte. Wie damals ein perfekter Tag für mich aussah? Irgendwo in der Stadt in einem möglichst angesagten Café einen Kaffee schlürfen, auf den Kuchen dazu verzichten, lange Frauengespräche führen, SMS analysieren, unperfekte Körperstellen bemängeln. Danach ab nach Hause, möglichst wenig Kalorien verputzen, in das etwas zu enge Kleid und die nicht ganz bequemen Schuhe schlüpfen, um abends um 23 Uhr irgendwo Freunde zu treffen.

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Die Nächte endeten perfekt, wenn sich zwischen den blinkenden Lichtern, Zigarettenqualm (ja, ist schon etwas her …) und einem Campari ein unerwarteter Flirt entwickelte. Noch perfekter war der Abend, wenn mein schrecklich ehrlicher schwuler bester Freund, nachdem er mich genau gemustert hatte, erfreut feststellte, dass ich unglaublich schlank aussähe! Wer mich jetzt als oberflächlich betrachtet, dem sei’s verziehen, sofern er/sie bitte berücksichtigt, dass ich ein Kind der 80s bin und Body Positivity und Self-Love lange nicht zu meinem Wortschatz gehörten – und auch nicht zum Zeitgeist. Im Gegenteil: Die 90s-Fitnesswelle klang immer noch nach, und oberstes Gebot war die Low-Fat- oder Blutgruppen-Diät (man war sich da nie ganz sicher), aber Hauptsache war, überhaupt eine strenge Diät einzuhalten. Falls man sich dagegen sträubte, durfte man sich nicht wundern, wenn der Schatz das Interesse verlor. Also anstrengen, wenn man nicht an seinem eigenen Unglück schuld sein wollte. Alles andere hätte bedeutet, sich gehen zu lassen – und das war die Todsünde der 90s schlechthin.


Das ist Jahre her. Heute erlebe ich mich neu, und es ist ein spannender Prozess. Aufgefallen ist mir mein reiferes Ich an einem wunderschönen kleinen Beispiel: Es war spätabends und ich wollte mir die Zähne putzen. Dabei entdeckte ich ein paar neue graue Strähnen in meiner Mähne. Ich fuhr mit den Fingerspitzen durch die Strähne und hielt auf einmal inne. Im Spiegel sah ich einen Arm, eingehüllt in mein liebstes Seidennachthemd. Darüber lag die gesäumte Spitze meines nachtblauen Morgenmantels, während meine Finger durch die silbernen Strähnen glitten. Und wisst ihr, was? Mir erschien dieses Bild aus Seide, Spitze, meiner Hand und den silbernen Haaren wie ein bezauberndes Kunstwerk. Diese simple Momentaufnahme spiegelte auf wundervolle Weise mich, meine Erfahrungen, meine Stärke und mein Alter wider. Ich hielt das Bild in Gedanken fest, und ich habe es seither noch einige Male betrachtet. Der Anblick erfüllt mich mit Zufriedenheit und gibt mir das Gefühl, bei mir selbst angekommen zu sein.



ICH BIN STOLZ AUF DIE FALTEN. SIE SIND DAS LEBEN IN MEINEM GESICHT.

-BRIGITTE BARDOT-


Es ist gut zu wissen, dass ich nicht mehr muss, sondern darf und kann. Der Druck der Jugend ist weg. Geblieben ist die Erfahrung, und langsam wird daraus meine neue Version – gealtert und nicht mehr voller Überraschungen, aber zufrieden. Keine Zeit in meinem Leben war schlecht, aber mit Selbstliebe und Zufriedenheit lebt es sich definitiv besser.


Ich bin nun das Ergebnis meiner (nicht ganz einfachen) Kindheit, meiner wilden Jugend, vieler Stolpersteine und grossartiger Momente als junge Erwachsene sowie meiner ersten (schlaflosen) Jahre als Mama. Ich bin die Summe all dieser Lebensphasen und Erfahrungen, aber heute mit einem grösseren Schatz an Selbstakzeptanz, Ruhe und Gelassenheit. Ich bin zu der Frau geworden, die gerne am Abend zuhause bleibt und in ihrem seidenen Nachthemd Texte schreibt.


Vielleicht bleibt diese (nicht mehr ganz so wilde) Phase nur kurz zu Besuch, vielleicht wird sie mich für eine längere Zeit begleiten. Aber egal, wie lange sie bleibt: Ich geniesse ihre, also meine, Gesellschaft sehr.

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